Morgen gibt es Fisch ist vorangig ein Film über
Scheidungskinder, die zwischen
den Eltern hin- und hergerissen werden. Dabei scheinen sie
stets nirgends ein richtig festes zu Hause zu haben.
Die Kinder versuchen sich trotz allem irgendwie mit dieser Situation zu
arrangieren und sich selbst zu behaupten. Dem
Scheidungskonflikt zugrunde liegt in Morgen gibt es Fisch
aber
noch ein
tieferes Problem - das eines so genannten Kuckuckskindes. Das wiederum
führt unausweichlich zu den Fragen nach der eigenen Identität, Herkunft
und
der persönlichen Vater-Kind Beziehung.
Nach wie vor sind Kuckuckskinder ein Tabuthema in der Gesellschaft und
werden im Film oft nur als Nebenstrang oder als Begründung und
Rechtfertigung für die Handlungen einer Figur eingesetzt. Noch in sehr
wenigen Fällen steht das Thema selbst im Fokus.
Statistischen Berechnungen zu Folge ist in Deutschland jedes fünfte bis
zehnte Neugeborene ein Kuckuckskind (ca. 67.500 bis 135.000 Kinder im Jahr 2008).
Also Kinder, die von der Mutter einem „falschen“ Vater, ohne dessen Wissen,
„untergeschoben“ werden. Sie sind dabei stets gut gehütete
Familiengeheimnisse, die bei der Offenbarung nicht selten die
ganze Familie in
eine Identitätskrise stürzen.
Ich bin auf dieses Thema durch zwei Freunde aufmerksam geworden, die
dieses Schicksal selbst teilen. Auf der einen Seite ein Kuckuckskind,
das seinen echten Vater nie kennengelernt hat - die Mutter erzählte die
Geschichte zu spät, so dass der echte Vater bereits verstorben war. Die
verbindenden Gemeinsamkeiten waren so nur noch über Fotos zu erahnen.
Auf der
anderen Seite stand ein so genannter „gehörnter“ Vater, der ein Kind
untergeschoben bekommen hatte. Trotz des Vertrauensbruchs kümmert er
sich immer noch sehr liebevoll um das Kind. In persönlichen
Gesprächen habe ich einen guten Einblick in das vorherrschende
Gefühlschaos bekommen und viel über die Fragen erfahren, die man sich
in
so einer Situation stellt. Ist mein „echter“ Vater so wie ich? Hat er
vielleicht die gleichen Augenbraunen? Und warum hat in der Familie
nie jemand etwas gesagt, wenn es doch alle wussten? Habe ich mein
ganzes Leben lang die falsche Oma umarmt?
Durch weitere Schilderungen aus einer Handvoll Reportagen wie
„Kuckuckskinder - Auf der Such nach dem richtigen Vater“
von Iris
Pollateschek und Jörg Telemann oder Literatur wie Simone Schmollacks
„Kuckuckskinder, Kuckuckseltern - Mütter, Väter und Kinder
brechen ihr
Schweigen“ bekam ich zusätzlich ein Gefühl dafür, mit welcher
Wucht
jemandem in dieser Situation der Boden unter den Füßen weggezogen wird
und damit die eigene Welt in sich zusammenfällt. Überraschend ist, dass
die meisten Kuckuckskinder die Wahrheit nur durch Zufall erfahren, zum
Beispiel über ein Testament oder eine kleine Notiz.
In allen Augenzeugenberichten beginnt mit der Wahrheit, ein
Kuckuckskind zu sein oder eines „untergeschoben“ bekommen zu haben, ein
persönlicher Rückzug von der Aussenwelt und ein Bruch mit der Familie
und der eigenen Persönlichkeit. Oft haben Erwachsene psychologische
Spätfolgen und verlieren das Urvertrauen in andere Menschen da sie ein
Leben lang gerade von der Mutter eine Lüge vorgespielt bekommen haben.
Auch taucht sofort die
Frage nach der eigenen Vergangenheit, Herkunft und Identität auf. Wenn
sich ein Kontakt zum „echten“ Vater nicht herstellen lässt, beginnt oft
eine lange quälende Suche. In vielen Fällen ist dann auch der Bruch mit
der Mutter der erste Versuch eines Neunanfangs. Trotzdem lassen sich
die Geschichten nicht rein schwarz-weiß zeichnen.
Mütter und auch Väter haben immer ihre Gründe und Ängste diese Dinge
auszusprechen und fürchten sich am meisten vor den verlustreichen
Konsequenzen.
Für mich ist der Moment, der das Geheimnis lüftet und damit alles in
Frage stellt, der zentrale Wendepunkt im Leben dieser Menschen. Deshalb
habe ich auch bei Morgen gibt es Fisch ganz bewusst
diesen auslösenden
Augenblick in den Mittelpunkt gestellt. Die unmittelbaren Folgen und
Reaktionen sind noch nicht wirklich abzusehen. Wie reagiert
man auf so eine Nachricht? Wie fühlt man sich danach und was unternimmt
man? Und vor allem, was machen die Eltern in diesem Moment? Denn davon
kann das weitere Leben des Betroffenen sehr stark abhängen. Wird er
richtig aufgefangen, so kann trotz des Gefühls des Verrats, wieder
Vertrauen gesät werden. Gerade Kinder, die noch auf der Suche nach
ihrer eigenen Identität sind haben die Chance mit der richtigen Hilfe
aus dieser Situation gestärkt hervorzugehen. Und vielleicht steht dann
am Ende eben auch eine neue Art der Freundschaft zum Ersatzvater. Je
früher man davon erfährt, desto besser kann man lernen damit zu leben
und umzugehen.
Florian Wehking